Die Großhirnrinde - Neo- oder Isocortex

 

In der äußeren Struktur der Großhirnrinde, dem Neo- oder Isocortex, kann man vier Gebiete unterscheiden, die durch tiefe Furchen abgrenzbar sind:

 

  • Frontallappen (Stirnlappen, Lobus frontalis)
  • Parietallappen (Scheitellappen, Lobus parietalis)
  • Temporallappen (Schläfenlappen, Lobus temporalis)
  • Okzipitallappen (Hinterhauptslappen, Lobus occipitalis)
Neocortex, Isocortex, Großhirnrinde Abb. 6.2.1: Gliederung des Neocortex

 

Beginnen wir von hinten nach vorn mit einer näheren Betrachtung der einzelnen Rindenlappen:



Okzipitallappen

Der Okzipitallappen beherbergt die Sehrinde, die in primäres und sekundäres Sehzentrum unterteilt wird. Das primäre Sehzentrum verarbeitet die einkommenden Informationen aus der Netzhaut des Auges. Dabei repräsentiert die primäre Sehrinde jeder Hirnhälfte die gegenüberliegende Gesichtsfeldhälfte (vgl. Sehsinn). Dabei ist jedem Punkt der Netzhaut ein bestimmter Bereich in der Sehrinde zugeordnet. Man spricht von topographischer Anordnung. Die Fovea centralis, die Stelle des schärfsten Sehens hingegen ist in beiden Hirnhälften repräsentiert. Obwohl sie nur einen kleinen Bereich auf der Netzhaut des Auges einnimmt, nimmt ihre Verarbeitung einen großen Bereich in der Sehrinde ein.

 

Die Informationsverarbeitung in der primären Sehrinde erfolgt in übereinander gelagerten Zellverbänden, den so genannten kortikalen Säulen. Diese reagieren jeweils auf bestimmte Muster, so dass sie aus der Gesamtinformation Einzelinformationen herausfiltern können.

 

Diese Einzelinformationen werden an das sekundäre Sehzentrum weitergegeben. Hierbei handelt es sich um einen Assoziationscortex. In diesem werden die vorverarbeiteten Muster aus der primären Sehrinde mit bekannten Sinneseindrücken abgeglichen und so erkannt. In der sekundären Sehrinde laufen auch Informationen aus anderen Hirnarealen ein, die mit den Mustern abgeglichen werden können. Von der sekundären Sehrinde aus werden die Informationen an weitere übergeordnete (tertiäre) Assoziationszentren weitergegeben. Dies ist insbesondere der Temporallappen, in dem die Objekterkennung stattfindet (Was-Bahn), und der Parietallappen, in dem die Lokalisierung des Objektes im Raum und Bewegung verarbeitet werden (Wo-Bahn). Darüber hinaus ziehen Verbindungen zur Grenze zwischen Okzipital-, Temporal- und Scheitellappen (Gyrus angularis), die an Lesen, Schreiben und Rechnen beteiligt ist, sowie zu verschiedenen Kernen der Augenmuskelsteuerung (Akkommodation, Blickbewegungen, Augenreflexe).



Die Sehrinde Abb. 6.2.2: Der Okzipitallappen (Erläuterungen im Text)

 

 

Temporallappen

Im Temporallappen liegen die Hörrinde sowie assoziative Areale wie z.B. für die Sprachverarbeitung und die Gedächtnisbildung.

 

Die Hörrinde

Die primäre Hörrinde ist von außen nicht sichtbar, sondern erst, wenn man den Temporallappen horizontal anschneidet, um in die Tiefe des Sulcus lateralis (vgl. Abb. 6.2.1 und Schnittfenster in Abb. 6.2.3) hineinschauen zu können. Dort erkennt man zwei bis vier Windungen, die quer zu den anderen Gyri des Temporallappens verlaufen und nach ihrem Entdecker Heschl’sche Querwindungen heißen. Ihre Informationen erhält die primäre Hörrinde über die Hörbahn (vgl. Hörsinn). Dabei sind die Eingänge tonotopisch angeordnet, d.h. jede Tonfrequenz hat ihren eigenen Eingangs und Verarbeitungsort auf der Hörrinde. Die primäre Hörrinde ist für die interpretationsfreie Bewusstwerdung der auditorischen Impulse verantwortlich, d.h. für einzelne Laute und Lautmuster unterschiedlicher Frequenz. Diese Laute und Lautmuster werden an die sekundäre Hörrinde weitergegeben, wo es zu einer sinnvollen Verknüpfung zu Wörtern, Geräuschen oder Melodien kommt. Ähnlich wie in der sekundären Sehrinde werden in der sekundären Hörrinde hierfür die vorverarbeiteten Eindrücke aus den primären Arealen mit bekannten Sinneseindrücken abgeglichen. Auch die sekundäre Hörrinde ist somit ein Assoziationscortex.



Hörrinde Abb. 6.2.3: Der Temporallappen (Erläuterungen im Text)

 

Interessanterweise weisen die sekundären Hörrinden der beiden Hirnhälften unterschiedliche Funktionalitäten auf. In der dominanten Hirnhälfte – bei den meisten Menschen die linke – wird das Gehörte eher rational verarbeitet, was von hoher Bedeutung für die Sprachverarbeitung ist. In der linken Hörrinde liegt das so genannte sensorische Sprachzentrum, das Wernicke-Zentrum, in dem das Sprachverständnis lokalisiert ist. In der nicht-dominanten Hörrinde hingegen werden die Sinneseindrücke ganzheitlich verarbeitet, eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis und die Empfindung von Musik.

 

Die sekundäre Hörrinde ist wie die sekundäre Sehrinde eng mit dem Gyrus angularis verbunden, der somit eine Schlüsselstellung bei der Verknüpfung von Gesehenem und Gehörtem einnimmt. Er projiziert zum Wernicke-Zentrum. So wird sowohl gehörte als auch gelesene Sprache im Wernicke-Zentrum verarbeitet. Dieses projiziert weiter zu höheren assoziativen Arealen des Cortex und insbesondere zum motorischen Sprachzentrum, dem Broca-Zentrum. Hier wird die Sprache motorisch umgesetzt.



Ausfall von Wernicke oder Broca-Areal

Die unterschiedlichen Funktionalitäten von Wernicke- und Broca-Areal werden besonders deutlich, wenn eine dieser Regionen ausfällt oder zerstört wird. Ein Ausfall des Wernicke-Sprachzentrums führt zu einem Unverständnis von Sprache. Gesprochenes und Gelesenes wird nicht mehr verstanden, ein Geräusch (z.B. eine zuschlagende Tür) kann dem Gegenstand oder der Ursache nicht mehr zugeordnet werden. Mit der Unfähigkeit Sprache zu verstehen geht auch der aktive Umgang mit Sprache verloren. Der Betroffene kann zwar noch einzelne Laute oder Worte nachsprechen, versteht diese aber nicht und kann auch selbst keine sinnvollen Laute, Worte oder Sätze mehr bilden. Fällt hingegen das Broca-Sprachzentrum aus, bleibt das Sprachverständnis erhalten. Hör- und Leseverstehen sind weiterhin möglich, die eigene Sprachproduktion fällt hingegen zu Teilen oder sogar komplett aus.

 

Gedächtnisfunktionen

Im Rahmen der Besprechung des limbischen Systems wurde bereits intensiv auf den Hippocampus bzw. die hippocampale Formation eingegangen, die ebenfalls im Temporallappen liegt. Im Neocortex des Temporallappens liegen weitere Areale, die eng mit dem Hippocampus verknüpft und somit an der Gedächtnisbildung beteiligt sind, u.a. der entorhinale und der perirhinale Cortex. Sie sind von außen jedoch nicht zu erkennen.

 

Visuelle Funktionen

Darüber hinaus ist der Temporallappen auch in visuelle Funktionen mit eingebunden, die als visuelle Diskrimination bezeichnet werden (Was-Bahn). Dazu zählen die Objekt- und Gesichtserkennung sowie die Farbverarbeitung. Über Verbindungen zum limbischen System erhalten Farben, Gesichter, Mimik und Gestik auch eine emotionale Bedeutung.

 

Die enge Zusammenarbeit von Okzipital- und Temporallappen soll am Beispiel des Vorlesens näher verdeutlicht werden:

Beim Lesen erreichen die Bilder – in diesem Fall Buchstaben – von der Netzhaut des Auges über die Sehbahnen (siehe Sehsinn) die primäre Sehrinde, wo sie ins Bewusstsein gelangen und an die sekundäre Sehrinde weitergegeben werden, wo die Schrifterkennung und –interpretation stattfindet. Von dort gelangt die Information über den Gyrus angularis zum Wernicke-Zentrum, wo das Schriftbild mit einem Sinn verknüpft wird. Zum Vorlesen wird im Wernicke-Zentrum zusätzlich ein Sprachimpuls generiert, der an das Broca-Zentrum weitergegeben wird, das motorische Cortexareale zur Lautbildung im Mund anregt.

 

 

 

Parietallappen

Im Parietallappen werden vor allem somatosensible Wahrnehmungen, d.h. Körperwahrnehmungen wie der Tastsinn verarbeitet. Die Impulse von Rezeptoren Tast- und Schmerzrezeptoren in der Haut aber auch in den Muskeln, Sehnen- und Gelenken gehen hier ein. Letztere sind insbesondere für die Wahrnehmung der Stellung oder Lage des Körpers und für die Rückmeldung über Bewegungen an die Großhirnrinde von entscheidender Bedeutung (vgl. Sensorik und Motorik). Die primäre somatosensible Rinde ist in der Großhirnwindung direkt hinter dem Sulcus centralis lokalisiert und wird dementsprechend treffend mit Gyrus postcentralis (lat. hinterzentrale Windung) bezeichnet.



Schläfenlappen, somatosensorischer Cortex Abb. 6.2.4: Der Parietallappen (Erläuterungen im Text)

 

Alle Eingänge, die der Gyrus postcentralis erhält, stammen aus der gegenüber liegenden Körperhälfte, da die afferenten Bahnen sich bei Eintritt in das Gehirn kreuzen (vgl. Motorik). Ähnlich wie in der Sehrinde sind auch in der somatosensiblen Rinde die Eingänge topographisch angeordnet, d.h. Rezeptoren, die im Körper beianderliegen, sind auch im Cortex nebeneinander repräsentiert. Die somatosensible Rinde trägt also ein Abbild unseres ganzen Körpers. Dieses Abbild bezeichnet man als Homunculus, kleiner Mensch.



Homunculus, Gyrus postcentralis, Fühlrinde Abb. 6.2.5: Der somatosensorische Homunculus - Abbild des Körpers in der „Fühlrinde"

 

Die Proportionen des Homunculus stimmen aber nicht mit denen des Körpers überein. Körperregionen, die besonders sensibel sind, wie die Finger oder die Lippen tragen auch viele Rezeptoren, die im Homunculus alle eine Repräsentation brauchen. Diese Körperregionen sind somit auch im Homunculus viel größer repräsentiert als weniger sensible Bereiche wie z.B. die Haut unseres Bauches oder Rückens. Dadurch wirkt der Homunculus stark verzerrt.

Die sekundäre somatosensorische Rinde ist verhältnismäßig klein. Sie liegt am unteren Ende des Gyrus postcentralis. Dies liegt darin, dass der hinter dem Gyrus postcentralis gelegene Rindenbereich, den man als posterioren parietalen Cortex (hinterer parietaler Cortex) bezeichnet, Aufgaben der sekundären somatosensorischen Rinde mit übernimmt. Neben den Eingängen aus der primären somatosensorischen Rinde gehen hier auch vorverarbeitete, auditive und visuelle Informationen ein. All diese werden hier integriert, um eine dreidimensionale räumliche Vorstellung und Orientierung zu erzeugen und die Bewegung im dreidimensionalen Raum zu ermöglichen.



Homunculus, Bewegungsrinde, Gyrus praecentralis Abb. 6.2.6: Der motorische Homunculus - Abbild des Körpers in der „Bewgungsrinde"

 

Frontallappen

Der Frontallappen beinhaltet im Wesentlichen zwei große Funktionsgruppen: zum einen sind seine motorischen Areale der Ursprungsort für Willkürbewegungen, zum anderen beheimatet er den präfrontalen Cortex (PFC, Stirnhirn), das höchste Assoziationszentrum des menschlichen Gehirns.

 

Motorische Bereiche des Frontallappens

Der so genannte Motorcortex oder primäre somatomotorische Cortex liegt in der Hirnwindung direkt vor dem Sulcus centralis und wird entsprechend als Gyrus praecentralis bezeichnet. Von ihm gehen die Nervenbahnen aus, die die Bewegungsimpulse zum Rückenmark und darüber zu den Ausführungsorganen, v.a. den Muskeln, bringen (vgl. Motorik). Ähnlich wie die somatosensorische Cortex (siehe oben) weist auch der Motorcortex eine somatotopische Gliederung auf, d.h. alle Körperteile sind wie bei einer Landkarte auf dem Motorkortex repräsentiert und in Form eines Homunculus abgebildet. Körperteile mit besonderer Feinmotorik und dementsprechend dichter motorischer Innervierung wie Hand, Gesicht und Zunge (man bedenke die Vielfalt der Lautbildung beim Sprechen) nehmen dementsprechend auf dem Homunculus ein größeres Feld ein.

 



 

Der Motorcortex ist „nur“ die letzte Station nach einem langen Verarbeitungsweg, den die Bewegungsimpulse durchlaufen haben. Seine Informationen erhält er von den vorgelagerten Rindengebieten, die prämotorischer und supplementärmotorischer Cortex genannt werden (Abb. 6.2.7), einer bestimmten Kerngruppe im Thalamus, über die ihn die motorischen Impulse aus den Basalganglien und dem Kleinhirn erreichen, sowie von der somatosensiblen Rinde des Gyrus postcentralis, die ihn über die momentane Lage des Körpers und evtl. schon laufende Bewegungen informiert. Die genaue Aufgabe der Basalganglien und des Kleinhirns bei der Planung und Durchführung von Bewegungen wird im Kapitel Motorik genauer beschrieben.

 



Motorischer Cortex, Frontallappen, Gyrus praecentralis Abb. 6.2.7: Der motorische Cortex im Frontallappen

 

Direkt vor der prämotorischen Rinde befindet sich das frontale Augenfeld oder frontale Blickzentrum. Seine Aufgabe ist die willentliche Steuerung der Augenbewegungen, d.h. die Augeneinstellung auf ein gewähltes Blickziel.

 

Am unteren Ende des Frontallappens unterhalb der somatomotorischen Rinde liegt in der dominanten Hirnhälfte (bei den meisten die linke) das motorische Sprachzentrum. Seinen Namen „Broca-Zentrum“ erhielt es nach seinem Entdecker Paul Broca. Anders als man annehmen sollte, entsendet das Broca-Zentrum keine motorischen Impulse an die für die Sprache notwendigen Muskeln, hier findet vielmehr die Formung der Sprache in ihrem Wortlaut und Satzbau statt. Anschließend werden die Impulse an andere motorische Areale weitergesandt, die die entsprechenden Muskelgruppen innervieren.

 

 

Der Präfrontale Cortex

Frontal" leitet sich von dem lateinischen Wort frons ab, das „Stirn“ bedeutet. Wörtlich genommen bedeutet präfrontaler Cortex (PFC) also „der Cortex, der vor der Stirn liegt“. Dies stimmt natürlich nicht ganz, denn vor der Stirn liegt dieser Cortex natürlich nicht! Zu Deutsch nennen wir ihn darum richtiger auch einfach Stirnhirn.

Trotzdem wir durch die „offizielle“ Bezeichnung deutlich, was der präfrontale Cortex ist, nämlich das „Vorderste“, was das Gehirn zu bieten hat. Und das ist nicht nur räumlich gemeint, sondern auch funktional. Der präfrontale Cortex ist die oberste Steuerungszentrale des Gehirns, so zu sagen der Regisseur aller anderen Gehirngebiete. Dafür ist er mit nahezu allen Gehirngebieten direkt oder indirekt verbunden. Er erhält Informationen aus diesen Gebieten und projiziert zu ihnen zurück, um aktivierend oder hemmend auf sie einzuwirken. Er ist zuständig für das Arbeitsgedächtnis, die Handlungsplanung und für das, wovon viele sagen, dass es den Menschen erst zum Menschen macht: Handlungshemmung, Sozialverhalten, Geschichts- und Zukunftsbewusstsein und daraus resultierend Antizipation, d.h. das Voraussehen der Konsequenzen einer Handlung, Achtung ethischer Grundwerte und hohe kognitive Leistungen wie Denken, Planen und Entscheidungsfindung. Bei solchen komplexen und verantwortungsvollen Aufgaben ist es nicht verwunderlich, dass der präfrontale Cortex sehr lange braucht, bis seine Entwicklung abgeschlossen ist. Rund 20-25 Jahre dauert es, bis er ausgereift ist.

 

Experten unterteilen den präfrontalen Cortex – leider sehr uneinheitlich – in Unterregionen, denen verschiedene – z.T. allerdings auch überlappende – Funktionen zugeordnet werden können (Abb. 6.2.7). So werden vor allem drei Bereiche recht einheitlich unterschieden:

 

  • Der dorsolaterale PFC, der – salopp gesagt – oben außen liegt (Abb. 6.2.8 a), ist vor allem für das Arbeitsgedächtnis zuständig. Darüber hinaus wird hier das Geschichts- und Zukunftsbewusstsein angenommen. Damit ist der dorsolaterale PFC auch für Handlungsplanung und das Voraussehen der Folgen einer Handlung, also Antizipation, zuständig. Einige Autoren trennen vom dorsolateralen PFC den ventrolateralen, also den darunter zum Bauch hin liegenden Teil (Abb. 6.2.8 a), ab, obwohl es hier Funktionsüberlappungen gibt.

  • Der dorsomediale PFC, der oben innen, also an der medialen Seite des PFC, liegt (Abb. 6.2.8 b), wird als zuständig für Motivation und ebenfalls Handlungsplanung angesehen.

  • Der orbitale PFC, der – wie sein Name sagt – den Augenhöhlen aufliegt (Abb. 6.2.8 a,b), trägt auch die Namen orbitofrontaler Cortex oder ventraler PFC. Er ist für das Sozialverhalten zuständig. Dabei übt er vor allem hemmende Kontrolle auf andere Hirnbereiche aus, um gegebenenfalls für die soziale Situation unpassende Handlungen zu unterdrücken (z.B. Dazwischenreden, wenn man nicht gefragt ist, oder beim Essen Aufspringen usw.) Damit übernimmt er auch die Kontrolle über Aggression und soziale Annäherung. Darüber hinaus laufen im orbitalen Cortex Geruchs-, Geschmacks-, visuelle und somatosensorische Informationen zusammen, um ein Gesamtbild der Situation zu generieren, aus der heraus Verhalten bestimmt wird. Schließlich kommt auch dem orbitalen PFC eine Rolle bei der gerichteten Aufmerksamkeit zu. Manche Autoren teilen vom orbitalen PFC das ganz vorn gelegene Gebiet als frontomedialen, frontopolaren oder anterioren PFC ab (in Abb. 6.2.8 nicht dargestellt) – dies nur der Vollständigkeit halber.

Präfrontalcortex, PFC, Präfrontalkortex Abb. 6.2.8: Der präfrontale Cortex

 

Wie oben schon kurz erwähnt ist die Reifung des PFC sehr interessant. Er reift bis in das Erwachsenenalter hinein, bevor er seine volle Funktionstüchtigkeit erreicht. Dies hängt vor allem mit dem Neurotransmitter Dopamin zusammen, dessen Bahnen von weit hinten aus dem Mesencephalon nachgeburtlich eine lange Reise bis in den PFC unternehmen und ihre volle Innervationsdichte dort erst im Alter von 18-20 Jahren erreichen. Dadurch ist der PFC in den Jahren davor überaus plastisch, d.h. durch äußere Einflüsse veränderbar (vgl. Plastizität). Dies hat den Vorteil, dass er sehr lernfähig ist. So kann sich ein Kind und Jugendlicher den sozialen Regeln und Verhaltensweisen in seinem Umfeld anpassen, und als Erwachsener ein passendes Sozialverhalten an den Tag legen. Im Umkehrschluss birgt diese hohe Plastizität aber auch den Nachteil, dass schädigende Umwelt- und Sozialeinflüsse den PFC in dieser Zeit sehr leicht schädigen können – viel leichter als bereits bei der Geburt mehr oder weniger ausgereifte Areale wie z.B. den Hirnstamm.



 

Schließlich gibt es genau genommen noch einen fünften Lappen der Großhirnrinde, der tief im Innern verborgen liegt – die Insel oder Lobus insularis.



Lobus insularis, Insel Abb. 6.2.9: Die Inselrinde

 

Die Funktionen der Inselrinde sind noch nicht vollständig erforscht, doch sie scheint an vielfachen Prozessen beteiligt zu sein:

  • Bewertung von Schmerz, Schmerzverarbeitung
  • Empathie
  • Entscheidungsfindung
  • Assoziation von auditiven Eindrücken, Sprache
  • Anpassung an Belohnung, Suchtverhalten
  • Bewertung von Ungerechtigkeit
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